Das schrieb die Presse zu unseren Konzerten:


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NEUE WESTFÄLISCHE am 27.02.02:

Emotional ausgewogen

Schuberts " Winterreise" in der Kreismusikschule- VON MATTHIAS GANS

Gütersloh. Man könnte es als Gag, als Show abtun: vier junge Baritone singen, einander abwechselnd, Franz Schuberts "Winterreise", den bedeutendsten Zyklus der Liedliteratur, der Existenzielles auf bis heute erschütternde musikalische Weise verhandelt. So gewagt auch die Idee von Initiator Peter Kreutz auch gewesen sein mag, so überzeugend fiel das Resultat in zwei Konzerten am Wochenende in der jeweils proppevollen Kreismusikschule aus.
Die Gefahr eines solchen Unternehmens liegt auf der Hand: wie soll eine Atmosphäre aufgebaut werden, eine Linie entstehen, wenn man es mit mehreren "Wandersburschen" zu tun hat. Fabian Hemmelmann hat dazu im Vorgespräch eine einleuchtende Erklärung gefunden: so wie ein Sänger die Stimmungen der Lieder mit unterschiedlicher Farbgebung darstellen muss, so bemühen sich die vier Sänger der Gütersloher "Winterreise" um eine stimmige Anpassung an die Lieder. Tatsächlich konnte man die einzelnen Stimmcharaktere durchaus goutieren, ohne einen interpretatorischen Bruch wahrzunehmen. Wohl auch wegen des gemeinsamen Pianisten Peter Kreutz, der in der Erarbeitung der "Winterreise" mit jedem Sänger bei aller emotionalen und stimmlichen Differenz einen "common sense" des Ausdrucks erreicht hat, der nicht als kleinster gemeinsamer Nenner missverstanden werden darf.
Angesichts unterschiedlicher Konzerterfahrungen und Ausbildungshintergründe lässt sich schwerlich eine Rangfolge der Interpreten ausmachen. Vielmehr konnten alle vier Sänger, Matthias Nenner und Yeow Hoay Aw an beiden Tagen, Markus Decker am Samstag und Fabian Hemmelman am Sonntag, ihre Vorzüge einbringen.
Nenner und Hemmelmann sind beide schon in der Gütersloher Liedreihe zu Gast gewesen und bringen die meiste Interpretationserfahrung mit. Beide Künstler sangen am Wochenende die gleichen Lieder, dennoch hätte man schwer einem der Sänger einen Vorzug geben wollen. Nenners Interpretationsansatz ist mehr deklamatorisch, von differenzierter Textausdeutung geprägt. Fabian Hemmelmann besitzt nicht nur ein dunkler gefärbtes, viriles Timbre, er betont auch die melodische Linie. Über einen sehr schönen lyrischen Bariton verfügt Markus Decker, dessen Vorzüge bei seiner wunderbar tragenden und substanzreichen Mezza Voce zum Tragen kommen. Von anderem Temperament hingegen Yeow, Hoay Aw, der sich vor allem die schnellen, schwer zu deklamierenden Lieder ausgesucht hatte und dabei hervorragend mit der deutschen Aussprache klar kam.
Nicht gering sollte man aber auch den Beitrag von Peter Kreutz schätzen. Nicht nur, dass er in seiner wunderbaren Einführung (und einem exzellent ver-fassten Programmzettel) mit gezielten Hinweisen kompositorische Details in einen großen musik- und literaturhistorischen Zusammenhang setzte. Am Ende der Aufführung und nach Sekunden nachdenklichen Innehaltens wurde minutenlang eine "Winterreise" von ungewöhnlicher atmosphärischer Dichte und interpretatorischen Einheitlichkeit gefeiert, die in ihrer emotionalen Ausgewogenheit -weder zu erhitzt noch zu distanziert - den heutigen Stand der Schubert-Rezeption auf hohem Niveau wiedergab.

Winterreise

Blumen für die "Wandersburschen": Pianist Peter Kreutz führte mit Matthias Nenner, Fabian Hemmelmann und Yeow Hoay Aw, Studenten seiner Detmolder Liedklasse, Schuberts "Winterreise" auf. Nicht auf dem Bild ist Markus Decker, der am Vortag sang. FOTO: GANS
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Die Glocke am 26.02.02:

Der Romantik gleich vierfach auf der Spur

Forum Lied und Kammermusik

Gütersloh (mbe). Eine ebenso ungewöhnliche wie interessante Form um die Meisterschaft von Franz Schuberts bedeutendstem Liedzyklus "Winterreise" vorzustellen, hatte Peter Kreutz für das Konzert der Reihe "Forum Lied und Kammermusik" gewählt: Vier Baritone der Hochschule für Musik Detmold hatten unter seiner Leitung den Zyklus einstudiert und trugen im Wechsel die 24 Abschnitte vor.
Ein Experiment, zugegeben, doch die große Resonanz mit rund 160 Besuchern an den beiden Veranstaltungstagen gaben dem agilen Initiator Peter Kreutz wieder einmal Recht.
Das ganz aus dem Geist der Romantik von Wilhelm Müller geschaffene Gedicht, ein in Versen verfasstes Tagebuch eines Verzweifelten, vertonte Schubert in seinen letzten, eher düsteren Lebensjahren.
Die Züge eines jungen, vom Leben noch nicht abgehärteten Menschen, zeichnen den tief verwundeten, dem letzten aller Ziele zustrebenden Wanderer. Vielleicht war es neben vielen anderen Kriterien auch das jugendliche Alter der Interpreten, das die in hohem Maße packende Wirkung dieser Art des Vertrages ausmachte. Gemeinhin gilt die "Winterreise" den Interpreten auf der Höhe ihrer Karriere als Gradmesser baritonaler Kunst. Ausnahmesänger wie Dietrich Fischer-Dieskau sprechen da für sich. In der Kreismusikschule wurde sie indes von jungen Sängern vorgestellt, die erst am Anfang ihrer Laufbahn stehen und die sich neben den musikalischen Vorbereitungen auch intensiv mit dem geistigen Inhalt des Zyklus', seiner Nähe zur Empfindungswelt eines Werther auseinandersetzten.
Es sangen: Matthias Nenner, der nach Abschluss seiner künstlerischen Reifeprüfung bereits als Gast beim Landestheater Detmold verpflichtet ist, dann Yeon Hoay Aw sowie alternierend Fabian Hemmelmann und Markus Decker.
Der reiche Applaus galt uneingeschränkt allen vier Sängern und mit ihnen dem geistigen Vater und Liedbegleiter Peter Kreutz, die gemeinsam ein außergewöhnliches Kammerkonzert beschert hatten. Nicht die Wertung stand dabei im Mittelpunkt, nicht ein "Bariton-Wettstreit", vielmehr das an komplizierten Formen und unergründlicher Gefühlsfülle reiche Werk und dessen individuelle Auffassung durch die Mitwirkenden. Ausnahmslos wussten sie mit genauer Deklamation und sicherer Technik zu überzeugen. Interessant waren dennoch subjektive Nuancierungen der Interpretation. Matthias Nenner bestach mit feiner Differenzierung. Packend, wie er die Innigkeit im liedhaft klingenden Piano trifft. Fabian Hemmelmann (Sonntag-Matinee) nahm durch lyrischen Klangschmelz ein. Überraschend indes Yeon Hoay Aw aus Malaysia mit frappierendem Fortissimo. Bravo!
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Westfalenblatt am 26.02.02

Lebensecht ohne Überschwang

Schuberts Winterreise im Forum Lied und Kammermusik - von Karl Heinz Spreyer

Gütersloh (WB). Beseelte Vielfalt und ein weitgespannter Bogen vom schlichten Volkslied zur Ballade über menschliches Glück und Leid; das war die Basis, auf der Franz Schubert 1827, ein Jahr vor seinem Tod, die 24 Lieder der "Winterreise" nach Texten von Wilhelm Müller komponierte. Sie sind ein unverwechselbarer Zyklus und gehören zu den Glanzpunkten jeder sängerischen Laufbahn. Am Samstag und Sonntag war das klangschöne Werk Mittelpunkt einer weiteren Folge der Reihe "Forum Lied und Kammermusik" in der Kreismusikschule. Peter Kreutz, der Initiator und Veranstalter, präsentierte den Musikfreunden vier junge Baritone der Musikhochschule Detmold.
Er selbst gab auch diesmal einen umfassenden Einblick mit Musikbeispielen, die die ungeheure, fein gezeichnete Deutungsweise der Musik Schuberts beleuchteten, die bis in unsere Zeit gültig ist. Das "offene" Ende dieser Reise sei einer der vielen Gesichtspunkte, an denen die Interpretierungsmöglichkeiten unbegrenzt zu sein schienen. Er wies in. diesem Zusammenhang auch auf die Neubearbeitung der "Winterreise" durch Hans Zender hin, die wir im September 2001 in der Retrospektive des Komponisten hörten. Sie bildeten - so Zender selbst -autonome formale Abläufe, die dem Schubert'schen Original übergelegt wurden. Ein weiterer Aspekt sei die Verwandlung des Klavierklanges in die Vielfarbigkeit eines Orchesters.
Schubert hatte Wert darauf gelegt, dass seine Lieder fließend gesungen und nicht deklamiert werden sollten. Er schuf damit jene gelöste Stimmung, die sich in jeder Melodie und der Symbolik der Texte der "Winterreise" bietet. Sie kamen seinem eigenen Gemütszustand als Wanderer vom Glück in tiefste Verzweiflung sehr nahe, wie der zum Volkslied gewordene "Lindenbaum" ("Am Brunnen vor dem Tore"), die "Erstarrung", das "Irrlicht", der "Frühlingstraum", die "Einsamkeit", die stimmungsvolle "Post" und die "Nebensonnen", um nur einige zu nennen. Schließlich der hochdramatische "Leiermann", der in dem Schlusssatz gipfelt "Wunderlicher Alter, soll ich mit dir gehn ? Willst zu meinen Liedern deine Leier drehn?"
Mit Matthias Nenner, Yeow Hoay Aw, Markus Decker und Fabian Hemmelmann (der am Sonntag Markus Decker ersetzte) stellte Peter Kreutz Sänger vor, die wir zum Teil schon im "Forum" hörten. Sie brachten Schuberts Lieder lebensecht und ohne Überschwang mit individuellen Stimmnuancen. Alle dramatischen Effekte wurden mit kräftigen, aber auch lyrischen Stimmen und exakter Aussprache voll ausgeschöpft. Schubert hatte das Klavier von der reinen Begleitfunktion zum selbständigen Mitgestalten geführt und Peter Kreutz nutzte den Freiraum hervorragend mit transparentem Anschlag, reizvoll schwebendem Ton und der Brillanz seiner ausgefeilten Technik und überbrückte auch kleinere Unstimmigkeiten. Soiree und Matinee fanden den gewohnt großen Zuhörerkreis.
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Neue Westfälische am 17.04.02:

Kammermusik mit Suchtpotenzial

"Frühlingssonaten" in der Kreismusikschule - VON MATTHIAS GANS

Gütersloh. Wenns draußen nieselt, braust und windet und das "Tirili" im Sonnenschein auf sich warten lässt, ist auch die Annoncierung eines Kammermusik-Programms mit dem Begriff "Frühlingssonaten" erlaubt. Nur Beethovens F-Dur-Sonate op. 24 konnte als berechtigter Namensgeber den beiden Konzerten dienen, die Geiger Franz-Peter Fischer und Pianist Ingmar Schwindt innerhalb der Kammermusikreihe in der Kreismusikschule gaben.
Alles andere, Mozart in e-moll und Schumann in a-moll, wirkte weniger frühlingshaft, war eher Schlechtwettermusik, und deshalb doch nicht so schlecht für dieses Programm bestimmt. Und Cesar Francks A-Dur-Sonate entzieht sich vollends jeglicher meteorologischer oder jahreszeitlicher Zuordnung.
Größe und Umfang des Programms ließen Bedenken hinsichtlich seiner adäquaten Realisierung aufkommen. Doch Franz-Peter Fischer und Ingmar Schwindt fegten sämtliche Bedenken nach und nach vom Tisch. Tatsächlich darf man den Interpreten nur dankbar sein, nicht nur sich selbst, sondern auch dem Publikum diese in ihrem verschiedenartigen Anspruch so bedenkliche Sonaten-Kopplung zugemutet zu haben.
Hätte man Fischer und Schwindt zu Anfang vielleicht vor allem als Mozart-Interpreten bewundern zu meinen müssen, so sensibel, transparent und doch nicht verzärtelt geriet ihnen dieses unglaubliche e-moll-Werk, so öffnete deren Beethoven-Sicht wiederum neue Ausdrucksnuancen. Zu bemerken ist: Fischer und Schwindt sind ausgezeichnete Solisten, zugleich aber ungemein hellhörige, kommunikative Kammermusiker. Das wurde in Beethovens Adagio deutlich, in dem die Violine sich dem Klavier völlig unterordnet, Fischer eher dezente Farbe oder Geschmack hinzugibt, während Schwindt die Essenz vorgibt. Brillant, nahezu ohne zu stolpern, das Scherzo mit seiner verschobenen rhythmischen Figur und das ausgelassen formulierte Finale.
Franz-Peter Fischer kommt von der Alten Musik. Vielleicht gelang ihm deshalb die Anpassung, die keine Aufgabe künstlerischer Identität bedeutete, an die veränderten Umstände der Schumann-Sonate. Mit stärkerem Bogendruck setzte er die dunklen Passionen des Komponisten frei, die sich vor allem in der Bevorzugung der tiefen Lagen im Kopfsatz bemerkbar machte.
Das ganze Raffinement seines hochdifferenzierten Violinspiels entfaltete sich vollends in Francks Sonate A-Dur. Der genau fokussierte Ton, mit dem Fischer das wiegende, auf und abwärts wogende Terzenmotiv des Anfangs spielte, beinhaltete gleichzeitig so viele Farben, dass man süchtig werden konnte von dieser Musik. Vielleicht geriet ihm und seinen höchst aufmerksam begleitenden, dabei durchaus auch virtuos zupackendem Partner deshalb auch der langsame Satz so ruhig, groß und spannend zum Höhepunkt des Konzerts. Am Ende Bravo-Rufe und Fußgetrampel und als Zugabe, die man so delikat gespielt vielleicht zum ersten Mal hörte: die "Meditation" aus Massenets Oper "Thais". Wie gut, dass das Violin-Klavier-Repertoire so groß ist, dass man dieses Duo noch häufig nach Gütersloh wird einladen können.
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Foto: Matthias Gans


Die Glocke vom 16.04.02:

Traumhaft schöne Töne eines Meister-Duos

Gütersloh (mbe). Ein Meisterkonzert en miniature wurde den Besuchern des zweiten Konzerts der Reihe "Forum Lied und Kammermusik" zuteil. Auf Einladung von Kreismusikschulleiter Michael Corßen waren am Wochenende mit dem süddeutsche Duo Franz P. Fischer, Violine, und Ingmar Schwindt, Klavier, renommierte Interpreten zu Gast in Gütersloh. Im Zentrum ihres Programms stand die sehr beliebte Frühlingssonate in F-Dur von Ludwig von Beethoven. Ein kammermusikalisches Juwel, dessen Gedankenfülle, Stimmungsbilder und rauschende Figurationen sich dank einer geradezu überbordenden Vortragsbrillanz dem Publikum unmittelbar erschloss. Das Duo brachte eine ungeheuer effektbetonte Dynamik ein, bei der transzendentale Töne leidenschaftlichen Ausbrüchen gegenüberstanden. Über den Akkord-Fluten des Klaviers sorgte die Violine für strahlenden Glanz:
Töne von traumhafter Schönheit erklangen.
Mit Franz P. Fischer - er ist Erster Konzertmeister des Philharmonischen Orchester Würzburg - war zweifellos ein Ausnahmegeiger am Werk. Süperbe Maßstäbe, die das gesamte Konzert kennzeichneten, waren schon eingangs bei Mozarts von musikalischem Charme zeugender zweisätziger Sonate für Klavier und Violine (KV 304), zuhören, Ein Stück SO recht nach dem Gusto des süddeutschen Duos, war wohl die dreisätzige Violinsonate a-moll von Robert Schumann, bei der besonders im Finalsatz ein spannungsvolles Geflecht von Klavier und Geige zu hören war. Es entwickelte sich zu einem packenden Zwiegespräch gegenseitiger Inspirationen, bei dem auf lustvolle Sforzati überraschend poetische, geradezu zärtliche Töne folgten. Über dem fulminant gestalteten Klavierpart erhoben sich blitzsauber gespielte Glissando-Läufe und intensiv ausgelotete Kantilenen, Beides begeisternde Kriterien, die auch für die von Ingmar Schwindt und Franz P. Fischer vorgetragene Violinsonate in A-Dur von Cesar Franck prägend waren, mit der die Kammermusik in der Kreismusikschule ihren glanzvollen Ausklang fand.
Schade, dass nur so wenige Zuhörer dieser hinreißenden Matinee im Rahmen des Forums "Lied und Kammermusik" beiwohnten. Immerhin, an Applaus sparten sie nicht.
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NEUE WESTFÄLISCHE zum Konzert am 11./12.05.02:

"Italienisches Liederbuch" in der Kreismusikschule - von MATTHIAS GANS

Leichtfüßige Ironie und Heiterkeit

Gütersloh (MG). "Das Herz schlägt ihnen deutsch, wenn auch die Sonne auf italienisch dazu scheint." Prägnanter als der Komponist selbst kann man Hugo Wolfs "Italienisches Liederbuch" nicht beschreiben.
46 Liedminiaturen, die Wolf in zwei Schaffensschüben und über die Distanz von fünf Jahren nach Übersetzungen, besser, Nachdichtungen italienischer Volksdichtungen durch Paul Heyse schuf. Höhepunkte der Liedgattung überhaupt. Und doch so selten zu hören, weil so unendlich schwierig in ihrer leichtfüßig-koketten Ironie und Heiterkeit darzustellen. Peter Kreutz wollte es im "Forum Lied und Kammermusik" wagen, weil er in Christina Schültke und Steffen Lachenmann zwei Solisten gefunden hatte, die den pointierten Witz der Lieder ebenso lakonisch wie in bezwingender vokaler Ausformung darzustellen vermochten.
Peter Kreutz hat sich das "Liederbuch" mit seinen Solisten geradezu einverleibt, so selbständig, ja freihändig geriet der Umgang mit diesen oft kaum einminütigen Preziosen. Allein die Neuordnung des Lied-Konvo-luts in thematisch sinnfällige Abschnitte verriet eine tiefe Vertrautheit mit der Vorlage. Konsequent, bis auf zwei, drei Ausnahmen, hat Peter Kreutz hier das Prinzip der Wechselrede verfolgt, ein Dialogisieren, das sich bei den beiden Aufführungen am vergangenen Wochenende in der Kreismusikschule zu einer maßvollen szenischen Darstellung steigerte: von der ersten Liebessehnsucht über gegenseitige Neckerein bis zu "geballtem Streit", der den anschließenden Friedensschluss nur noch schöner mache, so Kreutz.
Christina Schültke und Steffen Lachenmann nehmen die Chance dieser weitgehend kohärenten Anordnung zur Profilierung ihres jeweiligen Typus glänzend wahr. Die erst 24-jährige Sopranistin gibt ein wunderbar neckisches Mädchen, spöttisch bis zur Grausamkeit, und doch allzu liebenswert. Ihre schlanke Stimme führt sie bei allem jungmädchenhaften Draufgängertum in allen Lagen perfekt, ihre Aussprache ist deutlich, aber nicht übertrieben deklamatorisch - ein Exempel perfekten Wolf-Singens.
Der zwei Jahre ältere Steffen Lachenmann ist ihr ein ebenbürtiger Partner, wenngleich die Lieder ihn oftmals als tumben Deppen dastehen lassen. Dafür verwöhnt sein viriler, perfekt sitzender und zu dramatischer Exaltation fähiger Bariton. Dass Peter Kreutz auch den virtuosen Ansprüchen an den Pianisten durch sein temperamentvolles, gleichwohl hochdifferenziertes Klavierspiel gerecht wurde, setzte dieser hochwillkommenen Konzertreihe ein weiteres Glanzlicht auf. Bravorufe, Fußgetrampel- wie beim Rundgesang in einer italienischen Taverne.
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Foto: Matthias Gans




Westfalenblatt zum Konzert am 11./12.05.02:

Italienisches Liederbuch von Hugo Wolf in der Reihe »Forum Lied und Kammermusik 2002« - Marvin Klostermeier

Liederzyklus fast wie eine Liebesgeschichte

Gütersloh (WB). Ein Liederzyklus, in dem es sich einzig um das Thema Liebe dreht, das wäre ein perfektes Programm für den Valentinstag gewesen. Dass am 12. Mai, dem zweiten Aufführungstermin des »Italienischen Liederbuches« von Hugo Wolf, nun gerade Muttertag war, tat der hohen Güte der musikalischen Darbietung in der Musikschule für den Kreis Gütersloh keinen Abbruch. Nur - wenn überhaupt erwähnt, so erfuhr man, käme die Mutter im Liebesliedgut denkbar schlecht weg. Als Entschädigung für diese kleine Taktlosigkeit gab es für die Mütter ein Glas Sekt - immerhin.
Alle Nicht-Mütter unter den etwa 60 Gästen gingen da leer aus, »begnügten« sich aber nur zu gern mit der gekonnten und dramaturgisch sehr geschickten Aufführung der gesamten 46 Stücke des Italienischen Liederbuches; das dritte Konzert aus der Reihe »Forum Lied und Kammermusik 2002«. Christina Schültke (Sopran) und Steffen Lachenmann (Bariton), Studenten an der Musikhochschule Detmold, überzeugten gesanglich mit einem ausdrucksvollen Facettenreichtum, der für die Vielzahl der stark gefühlsbetonten Lieder auch notwendig war. Peter Kreutz gab dafür mit sicherer Klavierbegleitung den besten Rückhalt. Nicht, dass sich die Anforderungen der Wolfschen Liedersammlung für den Pianisten auf taktfeste Begleitung für die Sänger beschränkt hätte; immer wieder hatte der Komponist den Klavierspieler als Solist oder auch Gegenspieler zum Gesang in den Vordergrund gerückt. Keine Schwierigkeit für Peter Kreutz.
Der dramaturgische Kunstgriff bei dieser vollständigen Präsentation des Italienischen Liederbuches war die eine fortlaufende Handlung vortäuschende Abfolge der einzelnen Lieder. Die eigenständigen Lieder und Liedchen (aus dem italienischen übersetzt von Paul Heyse und vertont von Hugo Wolf) erschienen als Liebesgeschichte eines einzigen Paares, als Dialog im stetigen Wechsel von Sopran und Bariton besungen. Vom schüchternen Verliebtsein über die huldvolle Anbetung des Jünglings für die Dame seines Herzens, schwankte die Stimmung bis hin zum giftigen Streit mit gewitzten, schnippischen und humorvollen Liedern (der unterhaltsamste Teil des Programms, mitreißend interpretiert). Nicht zu vergessen: die Besingung des Friedensschlusses als gelungene feierliche Auflösung zum geballten, temporeichen Liedgefecht, mit dem die jungen Solisten Schültke und Lachenmann bei diesem ersten Konzert in Gütersloh den besten Eindruck hinterlassen konnten.
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Die Glocke zum Konzert am 11./12.05.02:

Forum Lied und Kammermusik - von Jutta Albers

Von Lust und Frust, Liebe und Leidenschaft

Gütersloh (gl). Wenn die Kreismusikschule zu einem Konzert mit dem Pianisten Peter Kreutz einlädt, ist Qualität garantiert. So auch im dritten der Reihe Forum Lied und Kammermusik, das am Wochenende im Doppelpack geboten wurde.
Zusammen mit zwei Sängern der Detmolder Musikhochschule, der Sopranistin Christina Schültke, Schülerin von Heiner Eckels, und dem Bariton Steffen Lachenmann, der bei Thomas Quasthoff studiert, präsentierte Kreutz das gesamte "Italienische Liederbuch" von Hugo Wolf. Das allein ist schon eine Rarität im Konzertbetrieb. Es sind 46 Lieder, meist Miniaturen, nach Texten von Paul Heyse, die der Literatur-Nobelpreisträger von 1910 aus dem Italienischen übersetzte und die Hugo Wolf dann in zwei Etappen (nicht als Zyklus gedacht) vertonte.
Für die Gütersloher Konzerte wurde die Reihenfolge neu konzipiert. So entstand ein kleines Liederspiel, in dem Szenen einer Liebe als Miniaturoper zusammengefügt wurden - köstlich und überzeugend zugleich. "Erzählt" wurde von der ersten vorsichtigen Annäherung über religiöse Gefühle, dem Sich-Finden und einem handfesten Streit bis hin zu verklärenden Frieden. Eine Fülle von Emotionen hat Wolf in sein Liederbuch gepackt, hier allerdings nicht in der schwermütigen Sprache deutscher Romantiker, dafür aber - textadäquat - voller Ironie, Witz, Schlagfertigkeit und Esprit. Da bietet sich eine theatralische Darstellung, für die sich die Interpreten folgerichtig entschieden hatten, fast von selbst an.
Umgesetzt wurde sie äußerst geschmackvoll. Beide Sänger Standen während des Konzerts gemeinsam auf dem Podium, reagierten mit lebendiger, aber nie überzogener Mimik auf den Partner, überzeugten vor allem mit erstaunlichen sängerischen Qualitäten. Christina Schültke verfügt über eine runde, in allen Registern gefestigte Sopranstimme, die sie mit großer dynamischer Bandbreite variabel einzusetzen weiß. Dabei hatte sie Einiges an stimmlicher Herausforderung zu bewältigen. Übertragen aufs Opernfach: Vom Dramatischen bis hin zu Soubrette.
Auch ihr so jungenhaft wirkender Partner Steffen Lachenmann zeigte erstaunliches sängerisches Profil. Wie er im Vorfeld des Einsatzes die Töne schon lautlos parat hatte, dann einen weichen Ansatz als Ausgangspunkt stimmlicher Nuancen nutzte, war bemerkenswert. Nicht minder beeindruckend war die gestalterische Fähigkeit der beiden, ihr spannender, lebendiger Dialog, zu dem sie der kompetent mitgestaltende Pianist Peter Kreutz immer wieder animierte. Und dessen Klavierpart war alles andere als leicht.
Mit Staunen und Bewunderung applaudierte eine sachkundige Zuhörerschar.
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Neue Westfälische am 10.06.02:

Genussvoller Dienst am Lied

Yvi Jänicke und Peter Kreutz in der Kreismusikschule - VON MATTHIAS GANS

Gütersloh. Einmal nicht den aktuellen Sängerinnen und Sängern der Musikhochschule Detmold, sondern einem ihrer prominenten Absolventen galt das Sonderkonzert in der Reihe „Forum Lied und Kammermusik“ in der Kreismusikschule. Mit Yvi Jänicke hatte Initiator und Pianist Peter Kreutz eine Künstlerin nach Gütersloh engagiert, die noch der legendären Detmolder Kretschmar-Ära entstammt. Eine Kommilitonin auch, mit der Peter Kreutz eine langjährige Zusammenarbeit verbindet. Und eine Künstlerin, der man mit großem Genuss ihren Dienst am Lied verfolgt.
So überraschend hoch immer wieder das Niveau der Lied-Reihe in der Kreismusikschule ist - man nehme nur einmal das letzte Konzert mit dem „Italienischen Liederbuch“ von Hugo Wolf - so schön und aufschlussreich ist es auch, eine Künstlerin im Vollbesitz ihrer stimmlichen und gestalterischen Möglichkeiten erleben zu dürfen. Seit 1994 ist Yvi Jänicke Mitglied des Solistenensembles der Hamburger Staatsoper, in dieser Saison unter anderem als Rosina in Rossinis „Barbiere“ und Cherubino in Mozarts „Figaro“ zu hören. Diese Bühnenerfahrung floss am Sonntag gewinnbringend, weil maßvoll, in ihre Darstellung von einigen populären, aber auch vielen unbekannten Liedern Schuberts, Wolf-Ferraris und Brahms' ein.
„Komponieren heißt für mich singen“, zitierte Peter Kreutz in seiner Einführung Ermanno Wolf-Ferrari, der nach wie vor ein Schattendasein auf den Opern- und Konzertbühnen Deutschlands führt. Dessen der italienischen Sprache abgelauschter Duktus erwies sich Yvi Jänicke souverän gewachsen. Wie nebenbei greift sie die vom Klavier vorweg genommene Floskel zu Beginn des fünften Rispetto auf, um ihre leicht geführte Stimme zum glanzvollen Phrasenschluss bei „Sole“ in die Höhe zu führen. Selbst bei hohem Tempo, wie im scherzohaften vierten der insgesamt acht Rispetti, bleibt ihre Aussprache sauber, wird die melodische Linie nicht unterbrochen. Ihre herrliche mezza voce kam besonders in Schuberts „An die Laute“ zum Tragen, das sie durchgehend differenziert leise, doch ohne jegliche Gefahr des stimmlichen Einbruchs. Yvi Jänicke ist allerdings keine Sängerin, die sich in der Vordergrund drängt. Auch Brahms „Liebestreu“, sein erstes Lied op.3, verführt in seiner dialogischen Anlage (Zwiegespräch zwischen Mutter und Tochter) die Künstlerin zu großer theatralischer Aktion.
Allein mit subtilen stimmlichen Mitteln wird hier der Konflikt der beiden Parteien gestaltet. Peter Kreutz ist mehr als nur Begleiter, sondern gleichberechtigter Gestalter, der auch in den virtuosen Passagen, etwa bei Brahms' „Über die Heide“ oder Schuberts „Sehnsucht“, gleichermaßen kontrolliert wie impulsgebend wirkt. Eine perfekte musikalische Partnerschaft, vom Publikum reichlich beklatscht und hoffentlich nicht folgenlos.


Foto: Matthias Gans
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Die Glocke vom 11.06.02:

Yvi Jänicke in der Kreismusikschule - von JUTTA ALBERS

Schwelgen in geradezu schwärmerischem Liedgut

Gütersloh (gl). Wenn ein Liederabend mit einer ehemaligen Schülerin des fast schon legendären Detmolder Professors Helmut Kretschmar angesagt ist, kann man sich schon im Vorfeld auf ein Konzert von hohem künstlerischen Niveau und einen uneingeschränkten Hörgenuss freuen. Solches bescherte die an der Hamburger Staatsoper engagierte Mezzosopranistin Yvi Jänicke am Sonntag in einem Sonderkonzert der Reihe Forum Lied und Kammermusik in der Kreismusikschule zusammen mit Peter Kreutz.
Die beiden kennen sich seit dem gemeinsamen Studium in Detmold und wurden jetzt eingeladen für ein Konzert beim „Kultursommer Nordhessen" im Rahmen einer Meisterkurswoche mit Renate und Helmut Kretschmar. So kamen die Gütersloher in den Genuss einer Voraufführung, erlebten eine Sternstunde des Liedgesangs.
Da kommt vieles zusammen. Yvi Jänicke verfügt über eine wunderbare, technisch perfekt geschulte Stimme, die sie souverän durch alle Lagen und Register mit erstaunlicher Alttiefe und faszinierender Leuchtkraft in den Sopranhöhen führt. Dazu bringt sie eine hervorragende Stimmkontrolle und perfekte Artikulation ein. Diese Fähigkeiten nutzt sie, um mit Musikalität und gestalterischer Tiefe die Inhalte der Lieder auszuloten in einem ausschließlich romantischen Programm. Da gewinnt auch unzeitgemäße überschwängliche Lyrik in zeitlos unvergänglichen Vertonungen Glaubwürdigkeit. Beste Beispiele waren die ausgewählten Brahms-Lieder „Dein blaues Auge", das drängende „Meine Liebe ist grün", das geheimnisvolle „Über die Heide", wo auch das feinste piano noch tragfähig war, das fatalistische „Nicht mehr zu dir gehen" bis hin zum Naturbild „Unbewegte laue Luft", das vokal aufs Eindrucksvollste inszeniert wurde.
Als Kostbarkeiten wurden acht Rispetti op. 11 und 12 von Ermanno Wolf-Ferrari präsentiert, einem Komponisten des 20. Jahrhunderts, der sich rückhaltlos zur romantischen Tradition bekennt. Italienische Volkspoesie (die deutsche Übersetzung war denkbar schlecht und weit entfernt vom Original) wurde in den emotional nachempfundenen Miniaturen reizvoll vertont und musikalisch mit faszinierenden Nuancen gestaltet. Yvi Jänicke ließ ihre Stimme strömen und fließen, auch bei den Schubert-und Brahms-Liedern. Es war eine Lust, ihr zuzuhören.
Peter Kreutz bewährte sich einmal mehr als kongenialer technisch souveräner Klavierpartner, überlegend mitgestaltend mit sensibler Anschlagskultur und feinsinniger Phrasierung. Die begeisterten Zuhörer im übervollen Kammermusiksaal durften sich noch über eine Zugabe freuen, das von Brahms vertonte Volkslied „Da unten im Tale" - schlichter und inniger vorgetragen kann man es sich kaum vorstellen.
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WESTFALENBLATT vom 11.06.02:

Liederabend in der Kreismusikschule - von KARL HEINZ SPREYER

Voller Anmut und liebevoll gesungen

Gütersloh (WB). Die alte Weisheit, dass eine Premiere erst dann erfolgreich wird, wenn es bei der Generalprobe einige Pannen gab, dürfte sich diesmal nicht bestätigen: Das Sonderkonzert der Reihe »Forum Lied und Kammermusik« am Sonntag in der Kreismusikschule sollte der beste Beweis dafür werden. Der Liederabend der Mezzosopranistin Yvi Jänicke von der Hamburger Staatsoper und des heimischen Pianisten Peter Kreutz mit Werken von Brahms, Schubert und Wolf-Ferrari, bot ein Kunsterlebnis ersten Ranges.
Der Liederabend soll einer der Höhepunkte des »Kultursommers Nordhessen« am 18. Juli in Kassel werden. Vierundzwanzig Lieder -plus eine Zugabe - waren eine Riesenaufgabe der idealen Verbindung der hübschen und erfahrenen Sängerin und ihres kongenialen Partners, die mit großer Konzentration und Hingabe erfüllt wurde. Yvi Jänicke und Peter Kreutz kennen sich seit vielen Jahren künstlerischen Schaffens aus gemeinsamen Studientagen in Det-mold und bilden ein ideales Duo von höchster künstlerischer Reife und Präsenz, das sich nahtlos ergänzt. Leuchtend die Stimme der erfahrenen Opern- und Liedersängerin, empfindsam und lyrisch zart im verhauchenden piano und kraftvoll durchdringend im forte. Peter Kreutz war der gewohnt sichere Pianist, der sich nicht in reiner Begleitung erschöpfte, sondern seinen Part eigenständig und mit viel Harmonie erfüllte.
Eine große Überraschung war die Vorstellung von acht durchweg kurzen »Rispetti«, Werken aus dem Italienischen Liederbuch des Deutsch-Italieners Ermanno Wolf-Ferrari (opus 11 und 12) nach Texten aus der toskanischen Volkspoesie. Der Komponist, der vorwiegend durch seine (heute kaum noch gespielten) Opern bekannt wurde, fand zu Lebzeiten viel Lob, aber auch herbe Kritik. Der Kritiker Herbert Rosendorfer nannte ihn einen »zeitgemäß Unzeitgemäßen«, der nicht vergessen werden dürfe. Yvi Jänicke gab den Liedern von Liebe und tiefer Sehnsucht, von der Schönheit der Natur und zum Lob Gottes - die wir bisher in den Liederkonzerten nicht hörten - in italienischer Sprache viel Herz und klare modulationsreiche Stimme und fand reichen Beifall..
Den größten Teil des Programms nahmen elf Lieder von Johannes Brahms und fünf Gesänge von Franz Schubert nach Texten bekannter Dichter ein, die wir zum Teil schon im Rahmen des Zyklus »175 Jahre - 175 Lieder« von Peter Kreutz mit talentierten Nachwuchskräften der Musikhochschule Detmold hörten. Mit der erfahrenen Mezzosopranistin fand dieser Abschnitt ein neues und ganz besonderes Schwergewicht an stilistischem Ausdruck und Gefühlstiefe, voller Anmut und liebevoll gesungen. Peter Kreutz rundete auch hier den weiten Spannungsbogen mit virtuosem Spiel als brillanter Begleiter. Brahms' Volkslied »Da unten im Tale« setzte nach anhaltendem Applaus der begeisterten Zuhörer den Schlusspunkt des erlebnisreichen Abends.
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WESTFALENBLATT vom 25.06.02:

"Parnassi musici" in der Kreismusikschule zu Gast - von KARL HEINZ SPREYER

Edle historische Instrumente zum Klingen gebracht

Gütersloh (WB). Bei ihren Streifzügen durch Archive und Bibliotheken haben sie manch kostbaren musikalischen Schatz gehoben, sorgsam entstaubt und aus der Vergessenheit zu neuem Leben erweckt: Die vier hochkarätigen Solisten der "Parnassi musici" aus Freiburg erreichten mit ihrem ungewöhnlichen Repertoire in zahlreichen Konzerten und CD-Ersteinspielungen europaweit einen hervorragenden Ruf. In der Reihe "Forum Lied und Kammermusik" vermittelten sie auch uns am Wochenende in der Kreismusikschule eine ungewöhnliche Begegnung mit Meistern aus drei Jahrhunderten in überzeugender Vollendung.
Der wunderschöne Klang des Quartetts beruht auf der Qualität seiner edlen historischen Instrumente; die Amerikanerin Margaret MacDuffie spielt eine Violine des Pariser Geigenbauers Claude Pierray von 1726, Matthias Fischer (der auch Erläuterungen zu den Werken gab) eine Violine von Leopold Widhalm (um 1800) und Stephan Schrader ein Violoncello, das Anfang des 18. Jahrhunderts in der Nähe von Füssen entstand. Martin Lutz spielt neben dem Cembalo einen Or-gel-Nachbau mit Holzpfeifen aus dem frühen 18. Jahrhundert.
Im ersten Teil des Konzerts wurde der Geigen-Magier Antonio Vivaldi von vier Komponisten umrahmt, die eine Generation zuvor wirkten. Marco Uccelini, Giovanni Battista Buonamente und Francesco Turini hatten jeder für sich das in der Barockzeit populäre Thema "Es ist wieder Zeit..." ("E tanto tempo hormai") als Leitlinie gesehen und mit viel Phantasie in Noten gesetzt, wobei die Streicher durch Orgel oder Cembalo begleitet wurden. Die vielfältigen Tempowechsel und die Klangfarben bezauberten die Zuhörer ein ums andere Mal und erinnerten an den Wettstreit in der Malerei alter Meister.
Spanisches Flair dann mit den "Folias" des Lauten- und Gitarrenmeisters Andrea Falconieri von 1650, frisch und ursprünglich in der Melodie und mit pulsierender Rhythmik. Ebenfalls spanisch angehaucht Antonio Vivaldis bekannte Triosonate d-moll "La Follia" (Sonate XII) mit einfachen Tanzthemen und abwechselungsreichen Variationen. Der Meister schuf hier eine Musik mit eigenwilligen Momenten, eingestreuten Pizzikati und nur kurzen Abschnitten, dabei die Saiten oft nur angerissen. Die vollendete Einheit der vier Künstler war beeindruckend.
Der zweite Teil gehörte ganz Johann Sebastian Bach. Stephan Schrader war ein empfindsamer Solist der nuancierten Suite C-Dur für Violoncello (BWV 1009) mit ihren sieben kurzen Sätzen vom Präludium zur Alleman-de, der schnellen Courante, der getragenen Sarabande, den zwei Gavotten bis zur virtuosen Gigue mit vielen Kadenzen und Akkorden. Großer Beifall für den homogen spielenden Solisten, ehe die "Parnassi musici" mit der Trio-Sonate d-moll (BWV 527), eine Transkription von Bachs dritter Orgel-Triosonate, den Reigen beendeten: Das Andante mit Orgelklang beschwingt, innig und zart das Adagio e dolce mit Cembalo-Begleitung wie auch das Vivace im munteren Dreivierteltakt - ein Finale, wie es nicht schöner sein konnte.
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NEUE WESTFÄLISCHE vom 26.06.02:

Freiburger Ensemble "Parnassi musici" begeisterte - VON MATTHIAS GANS

Barockmusik herzhaft und saftig

Gütersloh. "Der Protest ist noch von dem gezeichnet, wogegen er sich richtet", schrieb Adorno einst. Das ließe sich ein wenig polemisch auch über die Anfänge der Originalklangbewegung sagen. Ihr Interpretationsideal maß sich nicht nur an den nach und nach erarbeiteten Erkenntnissen über die Spielpraxis der Barockzeit und vorangegangener Epochen, sondern postulierte sich auch als Gegenbewegung zur damals gängigen romantisch-schwülstigen Auffassung. Wie gründlich mittlerweile die historische Aufführungspraxis ihren Kinderschuhen entwachsen ist, zeigte am vergangenen Wochenenden in zwei Konzerten das Freiburger Ensemble "Parnassi musici" in der Reihe "Forum Lied und Kammermusik" in der Kreismusikschule.
Das vierköpfige Ensemble, bestehend aus den Geigern Margaret MacDuffie und Matthias Fischer (beide Mitglieder des SWR Sinfonieorchesters), dem Cellisten Stephan Schrader (Kammerphilharmonie Bremen) und dem Cembalisten und Organisten Martin Lutz (Kantor an der Christophoruskirche in Wiesbaden) stellte auf Originalinstrumenten Raritäten und viel Gespieltes in erhellendem Zusammenhang vor. Und ließ es dabei weder an technischer Perfektion, noch an emotionalem Ausdruck und klanglicher Raffinesse mangeln.
So herzhaft und saftig gespielt, wurden die Stücke eher unbekannter Komponistennamen wie Uccellini, Buonamente und Turini, die ihre jeweils eigene Ansichten über das Lied "E tanto tempo hormai" machten, zu wahren Entdeckungen. Dass etwa bei Andrea Falconieris "Battallia de Barrabaso yerno de Satanas" die beiden Barockviolinen hart am Steg gespielt wurden, was einen dämonisch-irrlichternden Sound ergab, mochte sich vielleicht auch aus der Erfahrung der beiden Orchestermusiker mit der zeitgenössischen Musik verdanken, ist aber auch historisch belegt, wie Matthias Fischer versicherte.
"Parnassi musici" suchen dabei nicht den instrumentalen Effekt um seiner selbst willen, sondern versuchen lediglich, dem je eigenen Charakter der Stücke gerecht zu werden. Antonio Vivaldi Triosonate über das legendäre spanische Lied "La Follia" verlangt nun einmal das von dem Quartett höchst eindrucksvoll demonstrierte extrovertierte Spiel, die Suche nach immer neuen Farben und Klangschattierungen. Etwas zurück genommener erklang Bachs Orgel-Triosonate d-Moll BWV 527, die in der Übertragung auf Streicher und Continuo (sehr reizvoll hier das abwechselnde Spiel auf Cembalo und Truhenorgel), gewann dabei an Transparenz wie auch Profilierung der einzelnen Stimmen.
Mit der Bach-Suite in C-Dur BWV 1009 für Cello-Solo begeisterte Stephan Schrader mit einem sehr sauberen, die Extreme vermeidenden Spiel, das dem tänzerischen Charakter der Sätze ebenso gerecht wurde wie ihrer sublimen Stilisierung.
Fast ein Wunder, diese Musik von Instrumentalisten von nachgerade internationalem Rang in einem solch intimen Rahmen erleben zu dürfen. Das Publikum wusste das Ereignishafte der beiden Konzerte mit großem Beifall zu würdigen.
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Musiker von Rang: "Parnassi musici" aus Freiburg bei ihrem Konzert
Foto: Matthias Gans


Die Glocke vom 26.06.02:

Forum Lied und Kammermusik

Der Wiederentdeckung verpflichtet: Parnassi musici

Gütersloh (mbe). "Parnassi musici" - die Musiker des legendären Musenbergs -ein signifikanter Name für ein Ensemble, das sich der Entdeckung und Aufführung in Vergessenheit geratener Werke verpflichtet hat. Seine Mitglieder, Margret MacDuffie und Matthias Fischer, Violine, Stephan Schrader, Violoncello und Martin Lutz, Cembalo und Orgel, gestalteten das vierte Konzert der Reihe "Forum Lied und Kammermusik" in der Kreismusikschule.
Im Mittelpunkt ihres Werkkanons stand das zu seiner Zeit sehr populäre Lied "E tanto tempo hormai" - "Es wird wieder Zeit", das drei italienischen Komponisten des 17. Jahrhunderts zur Vorlage diente. Die "Parnassi musici" rückten die Trümpfe dieser kleinen musikalischen Kostbarkeiten ins Rampenlicht. Der warme Klang ihrer wertvollen Instrumente aus dem frühen 18. Jahrhundert verlieh der Musik noch eine besonders durchsichtig-sonore Tonformung.
Eine musikalische Intimität im kleinsten Kreis: Mit energievollem Spiel und perfekter instrumentaler Ausbalancierung erklangen die Bearbeitungen aus den "Musikwerkstätten" von Marco Uccelini, Giovanni Batiste Buonamente und Francesco Turini.
Mit einem Gustostück von Andrea Falconieri (1586-1656) wurde speziell im dritten Satz, der "Battallia de Baarbaso yerno de Satanas", in dem es um den Kampf zwischen Gut und Böse geht, ein besonders spannungsvolles Beispiel musikalischer Rede und Gegenrede offenbart. Etwa 100 Jahre später schrieb Antonio Vivaldi seine berühmte Triosonate "La Follia", ein Werk das zu den Juwelen barocker Kammermusik zählt. Die "Parnassi musici" stellten es mit Lust an virtuoser Darstellung und schönster Ausdeutung barocken Phrasierungsvokabulars vor.
Seine solistischer Verve bekundete Cellist Stephan Schrader mit der Suite für Violoncello BWV 1009 von Johann Sebastian Bach. Schier unglaublich, mit welcher Leichtigkeit das hochdramatische, mit Doppelgriffen und Registerwechseln gespickte Werk vorgetragen wurde.
Als krönendes Glanzlicht der kammermusikalischen Soiree spielten "Parnassi musici" Bachs Triosonate d-moll. Farbig schillernd und energisch wurde musiziert. Dem schattierungsreichen Adagio e dolce (dabei wechselte Martin Lutz vom Orgelpositiv zum Cembalo) folgten wahre Griffbrettwunder im Vivace, die bei aller individueller Virtuosität doch vollendet aufeinander abgestimmt waren. Kein Zweifel, das Publikum erlebte Kammermusik der feinsten Art. Entsprechend reichen Applaus spendete das zahlenmäßig nur kleine, doch sehr aufmerksame Auditorium.
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Die Glocke:

Öffentlicher Unterricht beim Sommerkursus - von Matthias Gans

Publikum darf teilhaben am Prozess der Liedgestaltung

Gütersloh (gl). Die "Vier ernsten Gesänge" von Johannes Brahms hat sich Hyun-Joon Kwon ausgesucht. Die letzten Lieder des Komponisten, und wohl auch seine schwierigsten. Umso mehr lassen bei dem 25-jährigen Bariton aus Südkorea Ernst und die tiefe Empfundenheit des Ausdrucks erstaunen. Seit Montag erarbeitet er diese Stücke im Rahmen eines Sommerkurses, der sich ausschließlich der Liedinterpretation widmet, zusammen mit acht anderen Sängerinnen und Sängern der Detmolder Hochschule. Das Novum dieses Sommerkurses: zwei der fünf Unterrichtstage finden erstmals in der Kreismusikschule Gütersloh statt. Interessierte können dabei den Intensivkursus verfolgen.
Zu verdanken ist dies dem Pianisten Peter Kreutz, Dozent für Liedgestaltung an der Detmolder Musikhochschule, Klavierlehrer an der Kreismusikschule und Mit-Initiator der Konzertreihe "Forum Lied und Kammermusik".
Grund genug, das Publikum am Prozess der Liedgestaltung teilhaben zu lassen. Der Werkstattcharakter eines Sommerkurses sei hierfür ideal gewesen, so Kreutz. Die ersten drei Tage hatten Dozent und Studierende in abgeschlossener Atmosphäre an der Detmolder Musikhochschule gearbeitet. "In dieser Zeit ist eine sehr harmonische Gruppe entstanden", so der Pianist.
In der Tat nehmen die Teilnehmer nicht nur ihren eigenen Unterrichts wahr, morgens und; abends jeweils eine halbe Stunde. Mit Noten in der Hand verfolgen sie auch die Ausführungen der Kolleginnen und Kollegen. "Man kann genau so viel durch zuhören lernen wie durch das Singen selbst", meint Hun-Joon Kwon. Er ist ehemaliger Schüler von Weltstar Thomas Quasthoff. Auch sein 29-jähriger Tenorkollege Dong-Seoke ist eigens wegen des berühmten Liedsängers von Seoul nach Detmold gewechselt. Dennoch kommt das Lied bei vielen Studierenden zu kurz. "Es wird mehr Technik vermittelt", sagt Hyun-Joon Kwon, und Peter Kreutz ergänzt: "Manchen Studenten muss ich überhaupt erst einmal den Zugang zur Kunstform Lied bahnen."
Das Abschlusskonzert findet im Rahmen der Reihe "Forum Lied" statt. Am 7. September um, 17 Uhr und am 8. September um 11.30 Uhr werden alle Teilnehmer einen Teil des Programms in der Kreismusikschule vorstellen.



Arbeit am Lied: Dozent Peter Kreutz von der Detmolder Musikhochschule arbeitet beim Sommerkursus Liedinterpretation in der Kreismusikschule mit Student Hyun-Joon Kwon an Brahms "Vier ernsten Gesängen". Das Publikum verfolgt während des Unterrichts den Prozess der Liedgestaltung.
Foto: Matthias Gans

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WESTFALENBLATT:

Musikhochschule Detmold in Gütersloh - von Stefanie Dosch

Gesangsstunden in aller Öffentlichkeit

Gütersloh (WB). Um mit dem Gütersloher Pianisten Peter Kreutz ihre Stimme zu bilden, haben neun Gesangsstudenten der Hochschule für Musik in Detmold ihren einwöchigen Sommerkurs "Liedinterpretation" in die Güterloher Kreismusikschule verlegt. Seit Anfang der Woche üben sie an ihrer selbst ausgewählten Lied-Literatur der Romantik. Kunstlieder von Robert Schumann, Franz Schubert, Johannes Brahms und Antonin Dvorak konnten Besucher am Donnerstag erleben - der Gesangsunterricht an einer Musikhochschule stellte sich der Öffentlichkeit.
Der jeweils halbstündige Einzelunterricht erfolgte nach einem anscheined erprobten Muster: Zunächst sang der jeweilige Student sein Lied einmal mit Klavierbegleitung von Anfang bis Ende. Dann, nachdem sich Peter Kreutz von den Fortschritten des Studenten ein Bild gemacht hatte, wurde das Lied Stück für Stück weiter bearbeitet. Dabei wurde auf jede Klangfarbe der Stimme genauestens geachtet, jeder Ton des Liedes interpretiert. So konnten die ohnehin guten Darbietungen noch weiter verbessert werden. Als erstes unterrichtete Peter Kreutz den Tenor Dong-Seok Im, der schon seit zehn Jahren Gesang studiert. Er sang zwei Lieder von Franz Schubert - "Die Liebe hat gelogen" und "Nacht und Träume".
Anschließend kam Hyun-Joon Kwon, Bariton, mit einem Auszug aus den "Vier ernsten Gesänge" von Johannes Brahms, die er beeindruckend meisterte. Mit dem Sopran Meike Leluschko wurde die Stimmlage dann ein wenig höher. Sie sang Robert Schumanns "Kennst du das Land...". Dann folgten für diesen Tag noch Konstanze Schlaud, Sopran, Vera Semieniuk, Mezzosopran, und Sandra Tschernitsch, Sopran.
Die Studenten kommen von unterschiedlichen Professoren und Dozenten. Seit Beginn dieser Woche arbeiten sie erstmals mit Peter Kreutz zusammen. Er kannte nur zwei Studentinnen aus vorherigen Kursen. Dennoch gelang ihnen der Nachmittag sehr gut. Aber schließlich konnte Peter Kreutz auch schon einige Erfahrungen mit der Veranstaltungsreihe "Forum Lied und Kammermusik" sammeln: Seit Gründung dieser Gütersloher Liedreihe hat er 14 Liederabende in der Kreismusikschule gegeben.
Zum Ende des Sommerkurse begleitet er die Studenten bei zwei Anschlusskonzerten am Klavier. Das erste Konzert wird am Samstag, 7. September, ab 17 Uhr stattfinden, das zweite beginnt am Sonntag um 11.30 Uhr. Auch dazu sind alle Interessierten eingeladen.


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NEUE WESTFÄLISCHE vom 10.09.02:

Finale mit Goldorange

Teilnehmer des „Sommerkurses Liedinterpretation " ernteten Früchte ihrer Arbeit

VON KERSTIN BRUNE
Gütersloh. Wie viel Schweiß es kosten kann, eine Schubertsche "Goldorange" zum "glühn" zu bringen, weiß wohl nur, wer in einer der öffentlichen Proben Peter Kreutz schelmisch grinsend über den Flügel mahnen hörte, die Phrase klinge aber "noch sehr nach neutralem Obst". Und erst recht die neun Detmolder Ge-sangs-Studenten, die sich in dem einwöchigen "Sommerkurs Liedinterpretation" mit viel Spaß und musikalischem Profit den kleinen pädagogischen Sticheleien des Lehrbeauftragten für Liedgestaltung gestellt hatten.
Um es gleich vorwegzunehmen: Beim Abschlusskonzert, das seinen Platz (zu Recht) in der erfolgreichen "Forum Lied"-Reihe hatte, begann die "Goldorange" aus "Mignons Gesang" unter Meike Leluschkos herrlich luzidem Sopran sogar regelrecht zu gleißen.
Wie beim Obst ist es bei Sängern ja besonders interessant, verschiedene Reifungsprozesse und -zustände zu entdecken. So war es auch weniger die Vielfalt an vorgetragenem Liedmaterial aus dem 19. Jahrhundert, das sich, zu vier Blöcken gefasst, ergänzte oder fruchtbar rieb, sondern die große Spannweite an unterschiedlichen Stimmfächern, Techniken, Charakteren und erzählerischem Talent der acht Solisten (eine Kursteilnehmerin fehlte), die dieses Konzert so faszinierend abwechslungsreich machte.
Sandra Tschernitsch zum Beispiel beherrscht, neben einer fabelhaften stimmlichen Leistung, die maßvolle Koketterie mit ihrem Publikum perfekt, derweil sich die Lebendigkeit. mit der Heike Austrup klangschön und ausdrucksstark die andere Hälfte von Schumanns "Frauenliebe und -leben" gibt, sich vielmehr aus ihrem großen deklamatorischen Temperament speist. Entsprechend weit ist ihr Aktions-Radius (es soll ja bei großen Namen der Szene sogar eine Messung der beim Singen beanspruchten Quadratmeterfläche Boden geben).
Beobachtet man dagegen den ehemaligen Quasthoff-Schüler Hyun-Joon Kwon, wie er zu Peter Kreutz' einfühlsamer Begleitung mit wunderbar wohltönendem Bariton zwei der "Ernsten Gesänge" von Johannes Brahms auf eine tragfähige, breite Atem-Säule stellt, sieht man deutlich, welch felsenfester Bodenhaftung diese Leistung bedarf, um jede Form von Kraftmeierei zu vermeiden. Das gilt auch für Strauss: Während Dong-Seok die herrlich strahlenden Tenor-Linien in Richard Strauss "Zueignung" seiner großen, grandios beherrschten inneren Spannung und Energie verdankt, lässt Sophie Klußmann die überirdisch schwebende Kraft für drei mit schwindelerregender Durchsichtigkeit vorgetragene Dehmel-Vertonungen (von Arnold Schönberg und Richard Strauss) aus purer selbstbeobachtender Ruhe entstehen.
Und nicht zuletzt Vera Semieniuks mit fesselndem, innigen Schmelz zu weiten Bögen gefasstes "Immer leiser wird mein Schlummer" (Brahms) und Alexandra Rawohl, die zwei ohnehin brillant formulierte Wolf-Lieder mit solch immenser Ausdruckskraft gibt, dass es die Zuhörer wohlig schauert, nährten die berechtigte Hoffnung, die acht Interpreten und -tinnen irgendwann mit einem komplett eigenen Programm in der "Forum"-Reihe wiederzuhören.
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Ein Konzert, viele Individualisten: Pianist und Dozent Peter Kreutz, Sophie Klußmann, Vera Semieniuk, Alexandra Rawohl, MeikeLeluschko, Heike Austrup, Hyun-Joon Kwon, Dong-Seok Im und Sandra Tschernitsch (v.l.).


Die Glocke vom 10.09.02:

Klangvolle Hommage an das Kunstlied

Gütersloh (mbe). Mit zweimal 60 Besuchern fand das Abschlusskonzert des Sommerkurses Liedinterpretation unter Leitung von Peter Kreutz in der Musikschule für den Kreis Gütersloh eine höchst erfreuliche Resonanz. Im Mittelpunkt stand das deutschsprachige Kunstlied des 19. Jahrhunderts. Kreutz hatte die Repertoirewünsche der neun Teilnehmer in die Programmgestaltung einbezogen.
Um es vorweg zu sagen: Ausnahmslos alle Mitwirkenden vermochten mit ihrer Vortragsweise der 21 Kunstlieder in hohem Maße zu beeindrucken. Die Erwartungen der vielen Freunde des Kunstliedes im Zuschauerraum wurden auf der ganzen Linie erfüllt. Besonderer Erwähnung bedarf dabei auch die hochkarätige Klavierbegleitung von Peter Kreutz.
Nur einige repräsentative Beispiele sollen aus der Fülle der individuellen Interpretierkunst genannt werden. Dem Begründer des deutschen Kunstliedes der Romantik, Franz Schubert war der erste Teil gewidmet. Meike Seok, Sopran, gestaltete mit warmem Timbre und schön geformtem Ton die schwärmerischen Zeilen, die Goethe den Liebenden in den Mund legte.
Robert Schumann, der das Kunstlied des 19. Jahrhunderts auf seine Höhe führte, vertonte das Monodrama „Frauenliebe und Leben" von Adalbert von Chamisso vor dem Hintergrund seiner Vermählung mit Clara Wieck. Peter Kreutz hatte den für Mezzosopran geschriebenen Zyklus zwei Sängerinnen übertragen: Sandra Tschernitsch, Mezzosopran, und die Sopranistin Heike Austrup konnten sich zu Recht über viel Applaus freuen. Im zweiten Teil standen Lieder von Hugo Wolf jenen von Johannes Brahms gegenüber. Ein spannungsvoller Kontrast, der durch die unterschiedlichen Stimmen noch betont wurde: Vera Semieniuk, Alexandra Rawold, beide Mezzosopran und Hyun Joon Kwon, Bariton, überzeugten.
Sophie Klußmann, Sopran, sie studiert seit 1997 Gesang bei Professor Quasthoff, brachte drei Dehmel-Gedichte zu Gehör, die fast zur gleichen Zeit von Arnold Schönberg und Richard Strauss vertont wurden. Mit tragfähiger sonorer Stimme deutete sie die unterschiedlichen Stimmungen unter Einbeziehung der spezifischen Kompositionsstile feinnervig und eindrucksvoll aus.
Dong-Seok Im gehörte mit zwei gefühlvollen Strauss-Lie-dern (von Gilm) das Finale: Brillant sein tenoraler Gesang, sensibel seine Ausdeutung. Großen Beifall gab es am Schluss für die Kreutzsche Sommerakademie.

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WESTFALENBLATT vom 10.06.02:

Programm mit acht Sängerinnen und Sängern - von KARL HEINZ SPREYER

Lied-Literatur der Romantik

Güters loh (WB). Sie haben vorbildliche Arbeit geleistet, die wetteifernden Gesangsstudenten und ihr Förderer und musikalischer Begleiter, Peter Kreutz: Das ergaben die beiden Sonderkonzerte mit ausgewählter Lied-Literatur der Romantik des 19. Jahrhunderts am Wochenende in der Kreismusikschule. Voraufgegangen war ein fünftägiger Kurs in der letzten August-Woche an der Musikhochschute Detmold und in der Gütersloher Kreismusikschule, in dem das anspruchsvolle Programm erarbeitet wurde. »Zaungäste« waren dabei erwünscht, und sie kamen, wie auch bei den beiden Veranstaltungen im Rahmen des von Peter Kreutz initiierten Forums »Lied und Kammermusik«. Acht Sängerinnen und Sänger boten im ersten Konzert nach der Sommerpause vor einem beifallsfreudigen und durchaus sachkundigem Publikum ein wechselvolles Programm mit Werken von Schubert, Schumann, Brahms, Wolf, Schönberg und Strauss, das Peter Kreutz sachkundig erläuterte und am Flügel eingebungsvoll begleitete. Mit zwei Sopranen, vier Mezzosopranen sowie je einem Tenor und Bariton waren die Stimmen gut verteilt. Den Reigen eröffneten die Jüngste und der Älteste der Gruppe mit Schubert-Liedern: Von Meike Leluschko (Sopran) erklangen klar »Auf dem Wasser zu singen« sowie das bekannte »Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn« aus Goethes »Mignon«. Dong-Seok Im (Tenor) folgte mit starker und flexibler Stimme in »Die Liebe hat gelogen« und »Nacht und Träume«.
Sechs Gesänge von Robert Schumann nach Texten von Adelbert von Chamisso fanden in Heike Austrup (Sopran) mit elegantem Timbre, aber auch temperamentvoll, und Sandra Tschernitsch (Mezzo) - besonders nuancenreich in den leisen Tönen -' ausgezeichnete Interpretinnen. Nach der Pause ein Wechselspiel mit Liedern von Johannes Brahms und Hugo Wolf. Von Vera Semieniuk (Mezzo) hörten wir das kurze gefühlvolle »Ständchen« und »Immer leiser wird mein Schlummer«. Der Bariton Hyun-Joon Kwon überzeugte modulationsreich mit zwei Liedern nach Bibel-Texten aus »Prediger Salomo« und »Jesus Sirach«, insbesondere mit dem tragischen »O Tod, wie bitter bist du«. Die Hugo-Wolf-Lieder zu Mörike-Texten bildeten das Bindeglied: Alexandra Rawohl (Mezzo) sang sehr sicher »In der Frühe« und »Um Mitternacht«.
Die Spätromantiker Richard Strauss und (der junge) Arnold Schönberg rundeten das Konzert ab: Sophie Klußmann (Sopran) bot mit Schönbergs »Erwartung« und »Erhebung« zwei Lieder ohne jede Atonalität, sowie Richard Strauss' dezentem »Kleines Lied« gute Aussprache und viel Wohllaut. Strauss, der den jungen Schönberg schon früh gefördert hatte, stand auch am Ende des Programms mit den Liedern »Allerseelen« und »Zueignung«, die der Tenor Dong-Seok voller Feingefühl sang, der schon die musikalische Reise eröffnet hatte. Anhaltender Beifall der gut unterhaltenen Zuhörer, Blumen für alle Mitwirkenden und insbesondere für Peter Kreutz, der dem vielstimmigen Konzert die Brillanz und den festen Rahmen gegeben hatte.
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Die Glocke am 8.10.02:

Musik zum Spaß und für den Ernstfall

Gütersloh (gans). Das "Forum Lied und Kammermusik" in der Kreismusikschule Gütersloh ist nicht nur deshalb nahezu unentbehrlich für die Musikfreunde der Stadt, weil hier woanders vernachlässigte Gattungen auf hohem und höchstem Niveau gepflegt werden. Nein, selbst innerhalb der unüberschaubaren Weite des Horizonts machen sich Interpreten zuweilen auf die Suche nach Vergessenem, Verkanntem. Beim eigens für diese Reihe entstandenen Forum-Quintett war es die weithin unbekannte Quintett-Kunst des Haydn-Bruders Michael, die neben dem epochalen g-moll-Quintett Wolfgang Amade Mozarts aufhorchen ließ.
Natürlich darf man Haydns Stücke nicht ohne weiteres dem Mozart-Werk zum direkten Vergleich gegenüberstellen. Die einführenden Worte des Musikschulleiters Michael Corßen, Cellist des Ensembles, machten deutlich, was die Musik Mozarts dem durchaus verehrten Haydns voraus hat.
Während Haydn in den beiden am Samstag und am Sonntag gespielten Werken den "divergierenden" Serenadencharakter betont, ist Mozarts Werk eine anspruchsvolle Auseinandersetzung mit musikalischem Material und der Spezifität der Besetzung. Immerhin: Michael Haydn kann als Erfinder der etwas stiefmütterlich behandelten Gattung Streichquintett gelten, so Corßen. War Haydns F-Dur-Quintett allein schon durch die Reihung von Tanz- und Variationssätzen dem Divertimento zuzuordnen, so wird sein viersätziges C-Dur-Quintett, etwa in der konflikthaltigen Durchführung des Kopfsatzes, gehobeneren kammermusikalischen Ansprüchen gerecht. Dass das Adagio cantabile ein herrlich serenadenhafter Dialog zwischen erster Violine und erster Bratsche über sanften Pizzikatotupfern der zweiten Pulte ist, kann als charmanter Atavismus durchgehen.
Dennoch: Um wie vieles kunstvoller ist Mozarts Satz, wie viel tiefer empfundener und differenzierter gearbeiteter ist sein g-moll-Quintett KV 516. Das mehr auf Transparenz denn romantischen Zusammenklang bedachte Spiel des Forum-Quintetts legte das Stimmgerüst feinnervig, aber nicht in akademischer Sprödigkeit offen. Diese Kinderkrankheit der Originalklangbewegung haben seine historisch kundigen Spieler Marie Verweyen und Katharina Wulf (Violinen), Marie Harders-Sauer und Beate Corßen (Violen) und Cellist Michael Corßen längst hinter sich gelassen. Die satztechnisch-musikalische Demokratie korreliert aufs vorzüglichste mit der des Ensembles, dessen Stimmvertreter nach der Pause ohne Klang- und Ausdrucksverluste die Pulte wechselten. Viel Applaus und Boccherinis "Filmmusik" ("Ladykillers") als Zugabe. Wahrlich ein Menuett, für das man morden könnte.



NEUE WESTFÄLISCHE vom 8.10.02:

Original-Stimmung

"Forum-Quintett" mit Quintetten von Haydn und Mozart

VON KERSTIN BRUNE
Gütersloh. Wenns bei Hofe mal "etwas weniger" sein durfte, reduzierte man große Orchester im 18. Jahrhundert mit Vorliebe auf kleine Streicher-Essenzen. In eben einer dieser hoch flexiblen "Minimalformen" zeichnete das "Forum-Quintett", besetzt mit zwei Violinen, zwei Bratschen und Violoncello, im "Forum Lied und Kammermusik" das kurze, aber heftige Aufblühen des Streich-Quintetts an drei Paradebeispielen nach: Angefangen bei der suitenhaften Aufreihung von Perlen höfischer "U-Musik" bei Michael Haydn bis hin zur strengen Form, gepaart mit Mozarts genial freiem Umgang mit (ehemaligen) Tanzsätzen.
"Weniger" bedeutet natürlich für jeden einzelnen Musiker "mehr", könnte sich doch keine der fünf höchst exponierten Stimmen für Momente in einen wühlenden Orchesterklang zurücklehnen und die Musik an der langen Leine tänzeln lassen. Auf historischen Instrumenten finden die sich kreuzenden und einander geleitenden Linien Schnittpunkte über Michael Corßens mit kräftigen Impulsen versehenen Bögen, so dass Haydns Quintett in F-Dur, in der suitenhaften Aneinanderreihung seiner sieben Sätze noch nicht dem strengen Formenkanon von Sinfonie oder Sonate unterworfen, besonders tief atmet.
Heute kaum noch vorstellbar, dass diese energiestrotzenden Preziosen sich einst nur unter dem Namen Joseph Haydns ans "markenbewusste" Adelsvolk bringen ließen, und nur dank dieses "Etikettenschwindels" ihre Entstehungszeit überdauern konnten (obwohl sie den Werken des berühmteren Bruders qualitativ nicht unbedingt nachstanden).
Mit Originalstimmung eben die "Original-Stimmung" zu erzeugen, die geherrscht haben muss, als Haydn und Mozart bei offiziellen Anlässen noch gemeinsam geigten, die Suche nach dem möglichst authentischen Klang, ist den barockorchestererfahrenen Musikern Marie Verweyen, Katharina Wulf, Marie Harders-Sauer, Beate und Michael Corßen - natürlich neben makellos-schwungvoller Interpretation, die sich bei diesem Ensemble von selbst versteht - vorrangiges Anliegen.
Zu Michael Haydns engagiertesten "Weiterentwicklern" und "Co-Produzenten" (Corßen) zählte dann auch Wolfgang Amadeus Mozart. Die bei Haydns Quintett in C-Dur schon in strenge vierteilige Form gefasste, aber durchaus noch voll tanzbaren Quintetti zerfließen unter Mozarts genialem Händchen für musikalische Ideen endgültig zu ornamentreichen, dichten und rein konzertant aufzuführenden Kunstgebilden in g-moll, die schon viel eher den kammermusikalischen und sinfonischen Formen zugewandt sind. Und wie bei Haydn hinter ein grandioses Finale noch ein kräftiger Marsch gehört, erklatschte sich das Publikum als Zugabe auf brilliant nachgespürten mozart'schen Tiefsinn den verspielten dritten Satz aus dem Streichquintett E-Dur von Luigi Boccherini, dessen umfangreiches Werk man inzwischen (zu Unrecht) so ziemlich auf dieses gern gehörte Synonym beschaulicher Plüschkultur reduziert hat.



WESTFALENBLATT vom 9.10.02:

Forum-Quintett spielte virtuos - von KARL HEINZ SPREYER

Zauberklang alter Instrumente

Gütersloh (WB). In den Bereich des Kammer-Quintetts, des kleinsten Orchesters, führte am Wochenende in der Kreismusikschule das "Forum-Quintett", ein Ensemble aus vier Damen und einem Herrn, die sich zum Musizieren auf historischen Instrumenten oder Nachbauten gefunden haben. Seinen Namen hat das Ensemble dem Forum "Lied und Kammermusik" entlehnt, das seit Jahren das Kulturleben vieler Musikfreunde bereichert. Im 6. Konzert der Reihe hörten wir Streich-Quintette von Michael Haydn und Wolfgang Amadeus Mozart, zweier Künstler, die sich auch im Leben sehr nahe standen.
In der ungewöhnlichen Besetzung für zwei Violinen (Marie Verweyen und Katharina Wulf), zwei Bratschen (Marie Harders-Sauer und Beate Corßen) sowie Violoncello (Michael Corßen) musizierte ein Quintett, das mit hoher Spielfreude, sehr virtuos und mit großer Harmonie den Werken das schönste Gesicht gab.
Die alten Instrumente - etwas tiefer als heute gestimmt - überraschten durch ihren sonoren Klang. Vor allem Michael Corßens Cello eines italienischen Meisters von 1680, eine eigenwillige Konstruktion ohne Stütze und mit besonderer Bespannung der Saiten und des Bogens, strahlte einen zauberhaften Klang aus.
Die Freundschaft von Mozart und Michael Haydn ging so weit, dass einer für den anderen komponierte, wenn Not am Mann war, und die Werke auch unter dem Namen des Anderen erschienen. Trotzdem schrieben beide ihren eigenen Stil, wie schon bei Michael Haydns ausgedehntem und selten gespieltem Streich-Quintett in F-Dur erkennbar wurde. Sein größtes Bestreben war absolute und strenge Originalität, damit er nicht mit dem erfolgreicheren und eleganteren Bruder Joseph verwechselt wurde. Dem zügigen Allegro folgten zwei Menuette im Ländlerstil und das bedächtige Andante. Auch im Poco allegro blieb der tänzerische Schwung, ehe nach dem Finale mit dem Rondo und einem Andantino das Werk verklang.
Haydns Quintett C-Dur folgte, ein viersätziges Werk, das vom Allegro freudig eingeleitet wurde. Ein Adagio wie ein galantes Ständchen mit Pizzikato-Umrahmung und sanft wie eine Ballade führte zum tänzerischen Menuetto mit Solostimmen und dem Rondo mit einer temporeichen Steigerung im forte.
Ungleich stärker in Wirkung und Ausdruck war nach der Pause allerdings Mozarts Streich-Quintett g-moll (KV 516) von 1787; getragen vom prächtigen Zusammenspiel der fünf Solisten mit traumhaft sicheren Einsätzen und hohen Intuitionen, ein eingespieltes Team, das sich nahezu blind versteht. Etwas bitter die Stimmung des ersten Satzes, zuweilen nur etwas spritzig in den Solostimmen. Das Menuett brachte zwar im Trio einige Entspannung, echte Klänge der Versöhnung aber erst im Adagio mit dem Solo der ersten Geige und der hübschen Umrahmung zum optimistisch-heiteren Finale.
Anhaltender Applaus der begeisterten Zuhörer und dafür als blumige Zugabe das berühmte Ständchen von Italiens Quintett-Zauberer Luigi Boccherini, längst schon im Film und im Fundus der legendären Comedian Harmonists heimisch geworden, aber immer sehr stimmungsvoll, Romantik pur!